In der jüngeren Vergangenheit hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit drei Entscheidungen seine Rechtsprechung zur Bestimmung des Schwellenwertes des § 23 Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) und zur Berücksichtigung von Leiharbeitnehmer bei der Ermittlung der maßgeblichen Betriebsgröße im Rahmen des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) geändert. Dem ist aus meiner Sicht zu entnehmen, dass das BAG grundsätzlich dazu tendiert, dass eine Gleichbandlung bzw. eine zumindest vergleichbare Berücksichtigung der rund 800.000 Beschäftigten der Zeitarbeitsbranche mit eigenen Angestellten in vielen betrieblichen Bereichen zu erfolgen hat.
Alte Rechtsprechung
Nach der bisherigen Rechtsprechung blieben bislang Leiharbeitnehmer bei der Bestimmung der Betriebsgröße unberücksichtigt. Folge dieser Rechtsprechung war, dass Leiharbeitnehmer im Entleihbetrieb weder bei der Größe des dort zu bildenden Betriebsrates, noch bei der Berechnung des Schwellenwerts für den betrieblichen Anwendungsbereich des KSchG mitgezählt wurden.
Aktuelle Rechtsprechung
Nun stellt das BAG unter Berufung auf den gesetzlichen Regelungszweck darauf ab, ob eine tatsächliche Eingliederung in den Entleihbetrieb besteht.
Berücksichtigung beim Schwellenwert zum Kleinbetrieb, § 23 KSchG
Leiharbeiter müssen bei der Berechnung des Schwellenwerts des § 23 KSchG berücksichtigt werden, wenn mit ihnen ein regelmäßiger Beschäftigungsbedarf gedeckt wird. Dies entschied das BAG mit Urteil vom 24.01.2013 (Az.: 2 AZR 140/12). Den entscheidenden regelmäßigen Beschäftigungsbedarf nimmt das BAG dann an, wenn der Einsatz des Leiharbeitnehmers auf einem „in der Regel“ vorhandenen Personalbedarf beruht. Eine genaue Bestimmung wann ein Personalbedarf „in der Regel“ besteht, hat das BAG nicht vorgenommen. Auch nahm es keinen Bezug auf das Urteil vom 18.10.2011, als das BAG noch einen Mindestbeschäftigungszeitraum von mehr als 6 Monaten als Entscheidungsgrundlage nannte. Daher kann davon ausgegangen werden, dass dieser Zeitraum nicht mehr zur Beurteilung herangezogen werden kann. Offenbar kommt es nun nur noch auf eine wertende Betrachtung an.
Berücksichtigung bei § 111 S.1 BetrVG
Bei der Frage der Beteiligung des Betriebsrates bei Betriebsänderungen, § 111 BetrVG, hat das BAG mit Urteil vom 18.10.2011 (Az.: 1 AZR 335/10) entschieden, dass bei Berechnung der Unternehmensgröße Leiharbeitnehmer dann zu berücksichtigen sind, wenn diese mehr als 3 Monate im Entleihbetrieb beschäftigt sind.
Berücksichtigung bei § 9 BetrVG
Dem einmal eingeschlagenen Weg folgend hat das BAG am 13.03.2013 (Az.: 7 ABR 69/11) entschieden, dass auch beim betriebsverfassungsorganisatorischen Schwellenwert des § 9 BetrVG, die im Entleihbetrieb eingesetzten Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen sind. Begründung: Der Betriebsrat sei für Leiharbeiter zwar nur partiell zuständig (z.B. bei den umfassenden Mitbestimmungsrechten des § 87 BetrVG sowie bei der Beteiligung gem. § 99 BetrVG), allein dies reiche aber für eine Berücksichtigung aus. Nach Ansicht des BAG sind daher Leiharbeitnehmer, die nicht ausnahmsweise nur zum Zeitpunkt der Wahl beschäftigt würden, als regelmäßig Beschäftigte bei der Bestimmung der Größe des zu wählenden Betriebsratsgremiums gem. § 9 BetrVG mitzuberücksichtigen.
Insbesondere mit Blick auf die im Frühjahr 2014 turnusmäßig anstehenden Betriebsratswahlen sollte diese Entscheidung zu beachten sein.
weitere Auswirkungen
Mit Blick auf die dargestellten Entscheidungen ist davon auszugehen, dass das BAG nun auch bei vergleichbaren Konstellationen die Pflicht sieht Leiharbeiter bei der Bestimmung der Zahl der regelmäßig Beschäftigten eines Betriebes zu berücksichtigen. Dies könnte zum Beispiel der Fall sein:
- bei der Frage, ab wann ein Betriebsratsmitglied gem. § 38 BetrVG freizustellen ist
- bei der Frage ob eine Pflicht zur Erstattung einer Massenentlassungsanzeige, gem. § 17 KSchG besteht