Wenn zu erwarten ist, dass ein Arbeitnehmer haftbedingt an der Arbeit verhindert ist und aller Voraussicht nach für eine verhältnismäßig erhebliche Zeit nicht in der Lage sein wird, seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen, kann ein Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus personenbedingten Gründen ordentlich kündigen.Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
Der Kläger war seit 1997 bei der Beklagten als Fahrzeugpolsterer beschäftigt. Zum ersten Mal befand er sich 2008 einen Monat lang in Untersuchungshaft, die Polizei verdächtigte ihn damals, gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen zu haben. Die zweijährige Strafe, zu der die Richter ihn schließlich verurteilten, wurde zur Bewährung ausgesetzt. Am 17. September 2010 wurde der Kläger erneut vorläufig fest- und in Untersuchungshaft genommen. Grund: Der Kläger hatte zusammen mit einer weiteren Person eine „Haschisch-Plantage“ betrieben. Dort fand die Polizei 18 Kilogramm Cannabis-Pflanzen. Eine solche Menge enthält ca. 2 bis 3 Kilogramm des Wirkstoffs THC.
Auf Nachfrage der Beklagten beim Verteidiger des Klägers wann dieser wieder zur Arbeit erscheinen werde, teilte dieser mit, dass ein Ende der Inhaftierung nicht absehbar sei und sich eine etwaige weitere Verurteilung aller Voraussicht nach negativ auf die Aussetzung der ersten Haftstrafe zur Bewährung auswirke.
Nach Beteiligung des Betriebsrates kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos sowie hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Termin Gegen beide Kündigungen erhob der Kläger fristgerecht Kündigungsschutzklage.
Mit rechtskräfitg gewordenem Urteil aus Februar 2011 verhängte das Amtsgericht gegen den Kläger eine Freiheitsstrafe von drei Jahren wegen gemeinschaftlichen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.
Klage gegen fristlose Kündigung erfolgreich
Die Kündigungsschutzklage hatte nur gegen die fristlose Kündigung Erfolg.
Klage gegen ordentliche Kündigung erfolglos
Durch die ordentliche Kündigung, so das BAG, war das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgelöst worden.
Als Kündigungsgrund können Umstände in Betracht kommen, die in der Person des Arbeitnehmers begründet sind und auf einer in dessen persönlichen Verhältnissen oder Eigenschaften liegenden „Störquelle“ beruhen. Dazu zählt auch eine langandauernde Arbeitsverhinderung des Arbeitnehmers, die auf einer Straf- oder Untersuchungshaft beruht.
Grundsätzlich führt aber nicht jede Freiheitsstrafe unmittelbar zum Verlust des Arbeitsplatzes. Es kommt immer auf die Dauer und ihre Auswirkungen an. So kann ein Arbeitgeber dann kündigen, wenn der Arbeitnehmer voraussichtlich für eine verhältnismäßig erhebliche Zeit nicht in der Lage sein wird, seine arbeitsvertraglichen Pflichten zu erfüllen. Dazu muss der Arbeitnehmer noch nicht einmal rechtskräftig verurteilt worden sein. Im Einzelhaft kann schon eine Untersuchungshaft ausreichen.
So war es im vorliegenden Sachverhalt: Das Arbeitsverhältnis war zum Kündigungszeitpunkt durch die zu erwartende haftbedingte Arbeitsverhinderung des Klägers erheblich belastet. Das Freihalten des Arbeitsplatzes war der Beklagten nach den Umständen des Falls, bis zur Rückkehr aus der Haft, nicht zumutbar, da die Beklagte im Kündigungszeitpunkt mit einer mehrjährigen haftbedingten Abwesenheit des Klägers rechnen musste. Das Gericht begründete seine Entscheidung wie folgt:
Zumindest dann, wenn im Kündigungszeitpunkt noch eine Haftstrafe von mehr als zwei Jahren zu verbüßen ist und eine Entlassung vor Ablauf von zwei Jahren nicht sicher zu erwarten steht, kann dem Arbeitgeber regelmäßig nicht zugemutet werden, lediglich Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen und auf eine dauerhafte Neubesetzung des Arbeitsplatzes zu verzichten.
Auch die fast dreizehnjährige Dauer der Betriebszugehörigkeit überwog nicht das Beendigungsinteresse der Beklagten. Dies, so das BAG, weil sich der Kläger 2008 bereits einmal für die Dauer von vier Wochen in Untersuchungshaft befunden und seinen neuerlichen, aller Voraussicht nach langdauernden Ausfall selbst verschuldet hatte. Besonder schwer wog nach Ansicht des BAG, dass der Kläger während einer laufenden Bewährungsphase erneut straffällig geworden war.