Das BAG hat über Frage „entschieden“, ob ein katholisches Krankenhaus seinem katholischen Chefarzt kündigen darf, weil er erneut geheiratet hat. Und das, obwohl dessen evangelischer Kollege trotz zweiter Ehe seinen Job behalten durfte.

Zum Sachverhalt

Was geschehen war: Ein Arzt lässt sich von seiner Frau scheiden, verliebt sich neu und heiratet ein zweites Mal. Kein besonders aufregender Fall, wäre der der Mann nicht Chefarzt an einem katholischen Krankenhaus. Aus diesem Sachverhalt hat sich ein arbeitsrechtlich spannender Fall entwickelt, in dem nun erst einmal der Gerichtshof der Europäischen Union Antworten liefern muss.

In erster und zweiter Instanz hatte der klagende Chefarzt vor den Arbeitsgerichten gewonnen. Diese stellten fest, dass die ausgesprochene Kündigung unwirksam sei. Auch vor dem Bundesarbeitsgericht blieb das klagende Krankenhaus (Urteil vom 08.09.2011, 2 AZR 543/10) erfolglos. Das Bundesarbeitsgericht entschied damals, dass der Kläger zwar mit der Wiederverheiratung gegen seine Loyalitätsobliegenheit aus dem Arbeitsvertrag (§ 10 Abs. 4 Nr. 2) und gegen die darin in Bezug genommene Grundordnung (Art. 5 Abs. 2 GrO) verstoßen habe, was an sich ein Kündigungsgrund darstelle. Weil das Krankenhaus jedoch dem evangelischen Kollegen die Wiederheirat „durchgehen“ ließ, sei die Kündigung des Klägers unverhältnismäßig.

Gegen dieses Urteil legte das Krankenhaus mit Erfolg Verfassungsbeschwerde ein: Das Bundesverfassungsgericht hob das Urteil auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung zurück an das BAG.

Der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts hat mit Beschluss vom 28.07.2016 nun entschieden, den Gerichtshof der Europäischen Union um die Beantwortung folgender Fragen gebeten:

1. Ist Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (RL 2000/78/EG) dahin auszulegen, dass die Kirche für eine Organisation wie die Beklagte des vorliegenden Rechtsstreits verbindlich bestimmen kann, bei einem an Arbeitnehmer in leitender Stellung gerichteten Verlangen nach loyalem und aufrichtigem Verhalten zwischen Arbeitnehmern zu unterscheiden, die der Kirche angehören, und solchen, die einer anderen oder keiner Kirche angehören?

2. Sofern die erste Frage verneint wird:
a) Muss eine Bestimmung des nationalen Rechts, wie hier § 9 Abs. 2 AGG, wonach eine solche Ungleichbehandlung aufgrund der Konfessionszugehörigkeit der Arbeitnehmer entsprechend dem jeweiligen Selbstverständnis der Kirche gerechtfertigt ist, im vorliegenden Rechtsstreit unangewendet bleiben?
b) Welche Anforderungen gelten gemäß Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 der RL 2000/78/EG für ein an die Arbeitnehmer einer Kirche oder einer der dort genannten anderen Organisationen gerichtetes Verlangen nach einem loyalen und aufrichtigen Verhalten im Sinne des Ethos der Organisation?

Es bleibt also weiter spannend.

Im Übrigen hat die Deutsche Bischofskonferenz bereits am 27.04.2015 eine Änderung der „Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse“ und damit verschiedene Änderung im Bereich des kollektiven und des individuellen Arbeitsrechts beschlossen. In dieser werden nun beispielhaft schwerwiegende Verstöße gegen die Loyalitätsanforderungen benannt, die zu einer Kündigung führen sollen, zum Beispiel

  • das öffentliche Eintreten gegen tragende Grundsätze der katholischen Kirche (z. B. die Propagierung von Abtreibung oder von Fremdenhass),
  • der Austritt aus der katholischen Kirche oder
  • kirchenfeindliches Verhalten

Das Eingehen einer neuen Ehe oder einer Lebenspartnerschaft soll bei katholischen Mitarbeitern nur noch dann zur Kündigung führen können, wenn sie als „erhebliches Ärgernis in der Dienstgemeinschaft“ zu bewerten ist und die Glaubwürdigkeit der Kirche beeinträchtigt. Für Mitarbeiter im engeren kirchlichen Dienst – also solche, die pastoral, katechetisch oder aufgrund einer bischöflichen Beauftragung tätig sind – gibt es jedoch weiterhin eine erhöhte Loyalitätserwartungen. Bei ihnen kann das Eingehen einer neuen Ehe oder Vergleichbares weiterhin einen Kündigungsgrund darstellen.

Kündigung wegen zweiter Ehe alias Loyalitätsverstoß