Die Grenzen zur sexuellen Belästigung sind fließend und oft streitig. Ob die Bemerkung „Sie haben schöne Brüste“ und das Berühren derselben aber bereits eine fristlose Kündigung rechtfertigt – darüber hatte nun das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Urteil vom 12.06.2013, 7 Sa 1878/12) als Berufungsinstanz zu entscheiden.
Der Sachverhalt
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
Nachdem der Kläger […] seine Arbeit beendet hatte und sich umziehen wollte, begegnete er in den Sozialräumen der, bei einem externen Reinigungsunternehmen angestellten, Reinigungskraft M. N., die mit der Reinigung der Sozialräume beschäftigt war. Nachdem andere Kollegen den Waschraum verlassen hatten, führten der Kläger – während er sich wusch – und Frau N., die er zuvor noch nicht kennengelernt hatte, ein Gespräch. Im Verlaufe dieses Gesprächs stellte Frau N. sich zunächst vor das Waschbecken und sodann neben den Kläger. Der Kläger ließ die Bemerkung fallen, sie habe schöne Brüste und berührte sie dann an einer Brust. Frau N. erklärte, dass sie das nicht wünsche. Der Kläger ließ sofort von ihr ab, zog sich um und verließ den Sozialraum. Frau N. arbeitete weiter, meldete den Vorfall jedoch ihrem Arbeitgeber und erstattete Strafanzeige.
Dem Kläger, dem die Sache (zu Recht) offenbar sehr peinlich war, nahm an einem Täter-Opfer-Ausgleich teil, zahlte der Reinigungskraft ein Schmerzensgeld von 100,00 € und entschuldigte sich. Das Strafverfahren wurde nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Die Arbeitgeberin sprach dem Kläger, der seit 1996 im Unternehmen beschäftigt war, hingegen eine außerordentliche Kündigung aus. Der Kläger ließ dies nicht auf sich beruhen und focht die Kündigung mit einer Kündigungsschutzklage an.
Kündigung wirksam?
Das Arbeitgericht Wuppertal hielt die Kündigung für wirksam, das Landesarbeitsgericht Düsseldorf, unter Vorsitz einer Richterin, hingegen nicht.
Grundsätzlich wäre Kündigung gerechtfertigt
Zur Begründung führte das Gericht zutreffend aus, der Vorfall an sich rechtfertige zwar den Ausspruch einer fristlosen Kündigung. Nicht jedoch in dem vorliegenden Fall.
Umstände des Einzelfalls
Ob eine sexuelle Belästigung im Einzelfall zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, ist immer abhängig von den Umständen des Einzelfalls, unter anderem von ihrem Umfang und ihrer Intensität (vgl. BAG, Urteil vom 25.03.2004, 2 AZR 341/03).
So stellte sich das Landesarbeitsgericht die Frage, ob der einmalige Vorfall (innerhalb einer vorfalllosen Betriebszugehörigkeitszeit von mehr als 16 Jahren) so gravierend sei, dass die beklagte Arbeitgeberin zur fristlosen Kündigung berechtigt war, auch ohne vorhergehende Abmahnung und ohne dass ein wiederholtes Fehlverhalten vorlag. Es sei auch das Verhalten des Klägers zu berücksichtigen, der die sexuelle Belästigung bei einem Personalgespräch sofort einräumte und erklärte, dass er sich dafür schäme. Die Tatsache, dass er sich um einen Täter-Opfer-Ausgleich bemüht hatte, müsse ebenso anerkannt werden.
Nach Ansicht des Gerichts war die Aussprache einer außerordentlichen Kündigung im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsabwägung nicht gerechtfertig. Die Aussprache einer „scharfen (sic!) Abmahnung“ wäre ausreichend gewesen, um sicherzustellen, dass ein Vorfall, wie dieser sich nicht wiederholt.