Die ersten Urteile im Rahmen der sog. „Abgasaffäre“ werden bekannt. Das LG Bochum (Urteil vom 16.03.2016, Az.: I-2 425/15) hat z. B. entschieden, dass ein Kraftfahrzeug zwar mangelhaft ist, wenn in diesem eine Software eingebaut ist, die im sog. Prüfstandverfahren eine erhöhte Abgasrückführung zulässt. Dieser Mangel reichte jedoch aktuell (noch?) nicht für einen wirksamen Rücktritt aus.
Zum Sachverhalt
Der Kläger kaufte im Juni 2014 bei der Beklagten, einer unabhängigen Händlerin, ein Fahrzeug der Marke X AG, zu einem Gesamtkaufpreis von 37.827 €. Der Kläger erhielt das Fahrzeug, welches mit einem Motor mit der Bezeichnung EA 189 EU5 (2,0 l Diesel) ausgestattet ist, im August 2014.
Bestandteil der Abgasbehandlung bei Fahrzeugen, die mit einem Dieselmotor ausgerüstet sind, ist die Abgasrückführung. Diese ist kein Teil der Abgasreinigungsanlage.. Während des Verbrennungsprozesses wird eine Mischung aus Luft und Kraftstoff verbrannt. Aus der Reaktion von Stickstoff und Sauerstoff entstehen Stickoxide. Diese werden bei der Abgasrückführung aus dem Auslassbereich des Motors über ein Abgasrückführungsventil in den Ansaugtrakt des Motors zurückgeleitet, um einen Teil der Frischluft zu ersetzen. Während dieses Vorgangs verlassen die rückgeführten Gase den Motor nicht. Dabei entscheidet eine „Umschaltlogik“ darüber, welcher von zwei verschiedenen Abgasrückführungs-Modi zur Anwendung kommt. Bei Modus 1 kommt es zu einer relativ hohen Abgasrückführungsrate, während die Abgasrückführungsrate beim Modus 0 geringer ist. Unter realen Fahrbedingungen im Straßenverkehr wird das Fahrzeug im Abgasrückführungs-Modus 0 betrieben. Der Modus 1 findet dagegen ausschließlich im Prüfstandsverfahren Anwendung.
Nach dem das Kraftfahrtbundesamt über zwei Millionen X-Markenfahrzeuge zurückgerufen und dem Hersteller auferlegt hatte, die entsprechende Software aus den Fahrzeugen zu entfernen, erklärte der Kläger im Oktober 2014 den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte die Beklagte zur Rückabwicklung auf.
Die Entscheidung
Das Landgericht Bochum wies die Klage ab. Nach Ansicht des Gerichtes steht dem Kläger „derzeit“ kein Anspruch auf Rücktritt vom Kaufvertrag zu. Das vom Kläger erworbene Fahrzeug sei zwar mangelhaft, der Mangel sei jedoch nicht so erheblich, dass er einen Anspruch auf Rücktritt begründen könnte. Das Gericht weist zu Recht darauf hin, dass im Rahmen der Erheblichkeitsprüfung gemäß § 323 Abs. 5 S. 2 BGB eine umfassende Interessenabwägung auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls vorzunehmen ist. Im Rahmen dieser umfassenden Interessenabwägung ist bei behebbaren Mängeln grundsätzlich auf die Kosten der Mängelbeseitigung abzustellen. Von der Geringfügigkeit eines behebbaren Mangels und damit von einer Unerheblichkeit der Pflichtverletzung ist nach dem BGH in der Regel auszugehen, wenn die Kosten der Mangelbeseitigung im Verhältnis zum Kaufpreis geringfügig sind (BGH a.a.O.). Bei einem Mangelbeseitigungsaufwand von nur knapp 1 % des Kaufpreises liegt dieser ohne Zweifel unterhalb der Bagatellgrenze (BGH, Urteil vom 14. September 2005 – VIII ZR 363/04 –, Rn. 43, juris).Im vorliegenden Sachverhalt war dieser Einzelfall vom Landgericht Bochum so bewertet worden, dass „nach derzeitigem Erkenntnisstand der Mangel behebbar“ ist.
Bei dem Fahrzeug des Klägers wird die Mängelbeseitigung nach Behauptung der Beklagten einen Kostenaufwand von ca. 0,26 % des Kaufpreises des Pkws verursachen und liegt damit unterhalb der regelmäßig zu beachtenden Bagatellgrenze. Für eine Abweichung vom Regelfall besteht hier keine Veranlassung. Erhebliche Umstände hierfür hat der Kläger nicht dargelegt.
Fazit
Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung des Gerichtes nachvollziehbar. Ob sich der Mangel / die Mängel in Zukunft tatsächlich als behebbar darstellen, wird sich zeigen müssen. Es bleibt spannend.