Die Beschimpfung eines Vorgesetzten mit „Kollegenschwein“ kann zu einer wirksamen fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses führen, muss sie aber nicht
der Sachverhalt
Der 58 Jahre alte Kläger war seit Oktober 2007 für die Beklagte, die etwa 1.500 Arbeitnehmer beschäftigt, als technischer Angestellter tätig und wurde am Prüfstand eingesetzt. Der Kläger leidet unter gesundheitlichen Problemen, die er auf die Arbeitsbedingungen am Prüfstand zurückführt. Seit dem 25.10.2012 war der Kläger fortlaufend arbeitsunfähig erkrankt. Auf Einladung der Beklagten fand am 04.02.2013 ein Wiedereingliederungsgespräch statt. Der Kläger strebte in dem Wiedereingliederungsgespräch erfolglos die Versetzung in anderes Team an. Er gab an, dass er seinen Vorgesetzten, den Teamleiter B , nicht akzeptiere und nannte ihn ein „Kollegenschwein“.
Die Beklagte hörte als Folge der Äußerungen im Wiedereingliederungsgespräch den Betriebsrat wegen einer beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des Klägers an. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe den Teamleiter B in dem Wiedereingliederungsgespräch wiederholt in ehrverletzender Weise als Kollegenschwein bezeichnet. Der Betriebsrat meldete zwar Bedenken gegen die außerordentliche Kündigung an und legte Widerspruch gegen die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses ein, trotzdem kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 15.02.2013 fristlos, hilfsweise fristgerecht.
Das Arbeitsgericht Aachen (Urteil vom 10.10.2013, AZ: 6 Ca 772/13) hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben und die Beklagte zur Weiterbeschäftigung des Klägers bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens verurteilt. Seine Ansicht, die Kündigung sei unwirksam, hat das Arbeitsgericht Aachen damit begründet, dass die Interessenabwägung, die zwingend vor Aussprache einer Kündigung durchzuführen sei, zugunsten des Klägers ausfalle.
einmaliger Vorfall, keine Abmahnung, vertrauliches Gespräch
Das Arbeitsgericht hat dabei z.B. berücksichtigt, dass es sich um einen einmaligen Vorfall gehandelt habe, der Kläger bislang nicht einschlägig abgemahnt worden sei und die Äußerung in einem vertraulichen Gespräch in Abwesenheit des Teamleiters erfolgt sei.
das Berufungsurteil
Die Berufung der Arbeitgeberin vor dem Landesarbeitsgericht Köln (Urteil vom 07.05.2014, Az.: 11 Sa 905/13) blieb in der Sache erfolglos. Auch nach Ansicht des LAG ist das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 15.02.2013 weder fristlos, noch ordentlich zum 30.06.2013, beendet worden, weil die Kündigungen unverhältnismäßig waren.
die Kündigungsentscheidung ist immer ein Einzelfall
An diesem Urteil zeigt sich wieder zutreffend, dass jede Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ein Einzelfall ist und eine pauschale Kategorisierung zur Bewertung der Frage der Wirksamkeit nicht angemessen ist.
Richtig und in der Rechtsprechung anerkannt ist, dass als verhaltensbedingter Kündigungsgrund insbesondere eine schuldhafte, vorwerfbare und rechts- oder vertragswidrige Pflichtverletzung aus dem Arbeitsverhältnis geeignet ist. Bei einem solchen Sachverhalt genügen Umstände, wenn sie aus Sicht eines ruhig und verständig urteilenden Arbeitgebers die Kündigung als angemessene Reaktion auf das Fehlverhalten des Arbeitnehmers erscheinen lassen.
eine Beleidung ist geeignet eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen
Grobe Beleidigungen des Arbeitgebers, seiner Vertreter und Repräsentanten oder von Arbeitskollegen stellen auch grundsätzlich einen erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen die vertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme dar und sind „an sich“ geeignet, sogar eine außerordentliche fristlose Kündigung zu rechtfertigen.
Dies alleine ist jedoch nicht ausreichend. Denn, im Kündigungsrecht gilt nicht das Sanktionsprinzip, sondern das Prognoseprinzip. Das bedeutet, dass eine verhaltensbedingte Kündigung nur dann gerechtfertigt ist, wenn eine störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten ist und künftigen Pflichtverstößen nur durch die Beendigung der Vertragsbeziehung begegnet werden kann. Das wiederum ist nicht der Fall, wenn mildere Mittel und Reaktionen – wie etwa eine Abmahnung – von Seiten des Arbeitgebers geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken.
Auf dieser Grundlage bewertete auch das LAG Köln den Sachverhalt und vertrat, genauso wie das Arbeitsgericht Aachen die Ansicht, dass eine Abmahnung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine geeignete und angemessene Reaktion der Beklagten gewesen wäre. Da es sich bei der Beleidigung um ein steuerbares Verhalten handelt, sei grundsätzlich davon auszugehen, dass das zukünftige Verhalten des Klägers durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann.
Dass eine Verhaltensänderung – z. B. mangels Einsichtsfähigkeit – bei dem Kläger nicht zu erwarten war, hatte die Arbeitgeberin nicht vorgetragen. Hätte sie dies begründet darstellen können, wäre die Entscheidung der Gerichte vermutlich anders ausgefallen.