Angestellter, Selbstständiger oder Freiberufler? Es gibt verschiedene Möglichkeiten sein Geld zu verdienen. Doch nicht immer erfüllen die zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber getroffenen Vereinbarungen auch die rechtlichen Anforderungen. So lässt sich zum Beispiel die Frage, ob ein Handelsvertreter Selbstständiger oder unselbstständiger Angestellter ist, nur beantworten, wenn man sich die tatsächliche Vertragsdurchführung anschaut. Die Folgen, die sich aus einer falschen Bewertung des Vertragsverhältnisses ergeben, sind vielfältig und haben für beide Seiten des Vertragsverhältnisses weitreichende, besonders sozialversicherungs- und steuerrechtliche Folgen. Beispielhaft möchte ich dies an einem Urteil des OLG München darlegen

Zum Sachverhalt

Im dem vom OLG München (20.03.2014, Az.: 7 W 315/14) zu entscheidenen Sachverhalt musste zunächst ermittelt werden, ob der Beklagte als selbstständiger Handelsvertreter oder unselbstständiger Angestellter tätig war. Diese Frage galt es zunächst zu klären, um die Zuständigkeit des Gerichtes festzustellen. Denn das OLG München (als „normales Zivilgericht“) wäre nur dann zuständig, wenn der Beklagte für die Klägerin als selbstständiger Handelsvertreter tätig gewesen wäre. Wäre der Beklagte hingegen „nur“ unselbstständiger Angestellter, hätte der Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht entschieden werden müssen, da dieses für Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis zuständig ist.

die vertragliche Regelung

Zwischen der Klägerin und  dem Beklagten war ein sogenannter„Vertriebs-Partner-Vertrag“ geschlossen worden. In diesem wurde der Beklagte als selbstständiger Handelsvertreter (Versicherungsmakler) bezeichnet. Gemäß Vertrag durfte der Beklagte ausschließlich von der Klägerin angebotene Produkte vermitteln. Darüber sollte der Beklagte im Wesentlichen frei sein, seine Tätigkeit selbst zu gestalten und Arbeitszeit und Arbeitsort zu bestimmen. Zudem vereinbarten die Parteien einen monatlichen Provisionsvorschuss von 4.000 EUR über den der Beklagte vierteljährlich abrechnen sollte.

tatsächliche Vertragsdurchführung

Tatsächlich erfolgte die vereinbarte vierteljährliche Abrechnung nicht. Stattdessen stellte der Beklagte während der gesamten Vertragslaufzeit „für erbrachte Dienstleistung“ monatlich 4.000 EUR „Vermittlungshonorar“ in Rechnung. Mehrwertsteuer wurde nicht ausgewiesen. Die Klägerin beglich jede Rechnung rügelos.

Zudem war es so, dass der Beklagte

  • im Büro der Klägerin gearbeitet hatte,
  • der Klägerin jederzeitige Erreichbarkeit schuldete
  • auch kleinste Abwesenheitszeiten der Klägerin mitteilte,
  • Tätigkeiten erledigte, die unzweifelhaft nicht Handelsvertretertätigkeiten waren,
  • Arbeitsmaterialien von der Klägerin gestellt bekam,
  • zwischenzeitlich ein Arbeitszeugnis erhalten hatte in dem er als „Leiter der Abteilung …“ bezeichnet wurde.

Nachdem die Klägerin mitteilte, dass sie den monatlichen Provisionsvorschuss auf 1.000 EUR kürzen werde, kündigte der Beklagte den Vertrag. Die Klägerin verlangte vom Beklagten daraufhin einen Betrag von rund 72.000 EUR zurück, den sie nach eigener Rechnung an Provisionen bislang zuviel ausgezahlt hatte. Da der Beklagte die Summe von 72.000 EUR nicht zurückzahlte, wurde Klage erhoben.

„tatsächlich nicht selbstständiger Handelsvertreter, sondern Arbeitnehmer“.

Der Beklagte vertrat im Verfahren die Auffassung, er sei für die Beklagte tatsächlich nicht als selbstständiger Handelsvertreter gewesen, sondern Arbeitnehmer der Klägerin.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Gericht gab dem Beklagten Recht, er sei tatsächlich Angestellter der Klägerin gewesen:

Ob echte oder nur scheinbare Selbstständigkeit vorliegt, ist in einer Gesamtwürdigung aller Umstände (getroffene Vereinbarung und tatsächliche Handhabung) zu ermitteln. […] Entscheidend ist nämlich das Gesamtbild der vertraglichen Gestaltung und der tatsächlichen Handhabung.

Nach Ansicht des Gerichts sprachen für eine selbstständige Tätigkeit zwar, dass

  • der Beklagte, gemäß den vertraglichen Regelungen Ort, Zeit und Art und Weise seiner Tätigkeit selbst weitgehend regen konnte,
  • die Vereinbarung einer Provision für vermittelte Verträge
  • die Höhe der Provision für die vermittelten Verträge

Die überwiegenden Gründe, nämlich die tatsächliche Vertragsdurchführung, sprachen jedoch gegen eine selbstständige Tätigkeit des Beklagten. Hinzu kam, dass der Vertrag keine Vereinbarung zur Rückforderung nicht ins Verdienen gebrachter Provisionsvorschüsse enthielt, was typisch gewesen wäre.

Schlussendlich bezog sich das Gericht noch auf eine Email mit der die Nichtbesetzung „Eurer Abteilung“ und die gleichzeitige Abwesenheit des Beklagten und eines weiteren Mitarbeiters beanstandet worden war.

Fazit und Folgen

Die Entscheidug des OLG München ist nur eine von vielen zu den Kriterien anhand derer die Gerichte die selbstständige Tätigkeit von der abhängigen Beschäftigung abgrenzen. Die Kriterien zur Abgrenzung sind daher im Großen und Ganzen klar. Streitig hingegen wird es jedoch, wenn es um die Abwägung und Gewichtung der jeweiligen Kriterien geht. Die Frage selbstständige oder abhängige Tätigkeit wird  auch von den  Trägern der Sozialversicherung geprüft.

Entscheidende Kriterien für eine selbstständige Tätigkeit sind solche die unternehmerisches Handeln und freie Entscheidung des Unternehmers erkennen lassen, diese können (nicht abschließend) sein.

  • Beschäftigung eigener versicherungspflichtiger Arbeitnehmer
  • Unternehmerisches Auftreten am Markt
  • Weisungsbefreies Handeln
  • Einsatz eigener Betriebsmittel
  • Unternehmerisches Risiko

Erfolgt die Tätigkeit konkret nach Weisung und liegt eine „Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers“ vor, istin der Regel von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen. Eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers liegt nach Ansicht der Gerichte und Sozialversicherungsträger dann vor, wenn (nicht abschließend) der/die Betroffene

  • in den Geschäftsräumen des Weisungsgebers tätig ist,
  • mit den Betriebsmittel des Auftraggebers gearbeitet wird,
  • keine eigene Werbung macht,
  • keine eigene Entscheidung treffen kann wann, wie und wo er seine Leistungen erbringt
  • ähnliche Arbeit verrichtet, wie Arbeitnehmer des Auftraggebers

Eins ist jedoch klar: Die Antwort auf die Frage „selbstständige Tätigkeit oder abhängige Beschäftigung?“ ist für den Auftrags- oder Arbeitgeber folgenschwer. Denn liegt eine sogenannte „Scheinselbstständigkeit“ des Beschäftigten vor, hat dies für den Arbeitgeber steuerliche (er hat die Lohnsteuer für den Arbeitnehmer nicht abgeführt), sozialversicherungsrechtliche (er hat keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt) und arbeitsrechtliche (Kündigungsschutz, Nichtleistung von Urlaubsentgelt, Nichtleistung von Entgeltfortzahlung bei Krankheit) Folgen. Diese Verstöße sind auch strafrechtlich, § 266a StGB, nicht außer Acht zu lassen

Urteil: Handelsvertreter – Selbstständiger oder unselbstständiger Angestellter?