Ein Sachverhalt der mir als Fachanwalt für Arbeitsrecht wohlbekannt ist. Die Mandantin oder Mandant hat eine fristlose Kündigung bekommen, weil sie/er – nach Ansicht des Arbeitgebers – einen Arbeitszeitbetrug dadurch begangen hat, dass die Stundenerfassung nicht korrekt erfolgt ist. Ist das tatsächlich als vorsätzlicher Arbeitszeitbetrug zu bewerten, der dem Arbeitgeber einen Grund zur fristlosen Kündigung gibt? Beispielhaft möchte ich hierzu das Berufungsurteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 23.07.2015 (Az.: 5 Sa 68/15) darstellen.

Sachverhalt

Die Parteien stritten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, also fristlosen, Kündigung. Die 59 Jahre alte Klägerin war bei dem beklagten Betreuungsverein seit 15 Jahren als Vereinsbetreuerin beschäftigt. Besuchs- und Reisezeiten wurden der Klägerin als Arbeitszeit vergütet, wobei die der Klägerin entstandenen Fahrtkosten aufgrund vom eigenen Eintragungen im Fahrtenbuch erstattet wurden.

Der Beklagte behauptete, dass die Klägerin ihre Arbeitszeit im Dezember 2013 falsch dokumentiert und eingereicht hatte. Sie hatte daraufhin das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich gekündigt. Das Arbeitsgericht Trier bewertete die Kündigung als wirksam und wies die Klage ab.

In der Berufung

Auch das LAG Rheinland-Pfalz war der Ansicht, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung des Beklagten mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden sei und hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Das LAG begründet seine Entscheidung im Kern damit, dass der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete, vom Arbeitgeber nur schwer zu kontrollierende Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, grundsätzlich als wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung in Frage kommt. Denn, wenn der Arbeitgeber die Aufgabe der Dokumentation über die geleistete Arbeitszeit auf seine Arbeitnehmer überträgt, muss er darauf vertrauen können, dass diese die Arbeitszeit korrekt dokumentieren. Füllen Arbeitnehmer die entsprechenden Formulare zur Dokumentation wissentlich falsch aus, stellt dies in aller Regel einen schweren Vertrauensmissbrauch dar, der dem Arbeitgeber einen Grund zur fristlosen Kündigung gibt. Eine Abmahnung durch den Arbeitgeber vor Aussprache der Kündigung ist in diesen Fällen in der Regel nicht erforderlich.

Eine Abmahnung ist nämlich dann nicht (mehr) erforderlich, wenn entweder eine Verhaltensänderung in Zukunft trotz Abmahnung nicht erwartet werden kann oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass die Hinnahme durch den Arbeitgeber für den Arbeitnehmer erkennbar ausgeschlossen ist.

Nach Ansicht beider Gerichte war auch unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen der Arbeitgeberin eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht, auch nicht bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist, zumutbar. Die Gerichte hatten zwar zugunsten der Klägerin neben ihrem Lebensalter von 59 Jahren im Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs insbesondere ihre langjährige Betriebszugehörigkeit berücksichtigt, diese Kriterien reichten jedoch nicht dazu aus, dass dem Beklagten in Anbetracht von Art und Schwere der Pflichtverletzungen und des hierdurch bewirkten irreparablen Vertrauensverlusts eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zugemutet werden konnte.

Fazit

Der Arbeitgeber muss darauf vertrauen können, dass seine Beschäftigten ihre Arbeitszeiten richtig und genau erfassen. Dies unabhängig davon wie die Dokumentation der Arbeitszeit erfolgt. Füllt ein Arbeitnehmer die ihm zur Dokumentation zur Verfügung gestellten Formulare vorsätzlich falsch aus, ist das grundsätzlich als schwerer Vertrauensmissbrauch zu bewerten, der den Arbeitgeber zu einer fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt. Eine Verteidigung mit dem „Versehen“ ist oftmals schwierig, da der Arbeitnehmer mit der Unterschrift unter der Dokumentation grundsätzlich seinen unbedingten Willen zum Ausdruck bringt, die volle Verantwortung für den entsprechenden Inhalt übernehmen zu wollen.

Problematisch werden solche „Dokumentationsversehen“ oft bei im Außendienst tätigen Mitarbeitern. Aber auch die nicht korrekte Bedienung von Zeiterfassungssystemen, z.B. beim „Nichtausstempeln zur Raucherpause“ kann den hier beschriebenen Arbeitszeitbetrug darstellen.

Urteil: Fristlose Kündigung wegen Arbeitszeitbetrugs