Ab dem 01. Januar gilt in Deutschland eine gesetzlich festgeschriebene, allgemeingültige, flächendeckende Lohnuntergrenze von 8,50 €, ein Mindestlohn. Haben nun alle Arbeitnehmer Anspruch auf den Mindestlohn? Warum 8,50 € ? Wer ist denn Arbeitnehmer nach dem Gesetz? Haben sogar 450 €-Kräfte und Praktikanten Anspruch auf den Mindestlohn? Gibt es Ausnahmen vom Mindestlohn? Diese Fragen soll der folgende Artikel beantworten.
Der Mindestlohn
Das Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie, das Gesetz zum Mindestlohn, sieht vor, dass ab dem 1. Januar 2015 jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer einen Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts in Höhe von mindestens 8,50 Euro brutto, je Zeitstunde, hat.
Warum 8,50 € brutto?
Die Festlegung des Mindestlohns auf 8,50 Euro brutto wird wie folgt begründet: Ein Arbeitsentgelt von 8,50 Euro brutto je Zeitstunde ermöglicht es einem alleinstehenden Vollzeitbeschäftigten, bei durchschnittlicher Wochenarbeitszeit (40 Stunden) ein Monatseinkommen oberhalb der Pfändungsfreigrenze gemäß § 850c Absatz 1 Satz 1 ZPO zu erzielen. Die Pfändungsfreigrenze soll in Deutschland ein auf die Situation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zugeschnittenes pauschaliertes Existenzminimum darstellen, welches einen „moderaten Selbstbehalt“ (sic!) sichert.
Vereinbarungen unter 8,50 € brutto?
Vergütungsvereinbarungen, die den Mindestlohn unterschreiten sind unwirksam. Anstelle der unwirksam vereinbarten Vergütung ist der Mindestlohn in Höhe von 8,50 € pro Stunde zu zahlen.
Veränderung oder Anpassung der Höhe des Mindestlohns?
Die Höhe des Mindestlohns ist zunächst auf 8,50 festgelegt, kann jedoch im Laufe der Zeit angepasst werden. Dafür wird eine Mindestlohnkommission eingerichtet, die über eine Anpassung der Höhe des Mindestlohns entscheiden kann. Erstmals kann die Mindestlohnkommission mit Wirkung zum 1. Januar 2018 entscheiden. Danach hat die Mindestlohnkommission alle 2 Jahre über Anpassungen der Höhe des Mindestlohns zu beschließen. Dabei soll sich die Mindestlohnkommission nachlaufend an der Tarifentwicklung orientieren.
Für wen gilt der Mindestlohn?
Die Regelungen zum Mindestlohn gelten für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Auch Praktikantinnen gelten als Arbeitnehmer im Sinne des Mindestlohngesetzes und haben einen Anspruch auf den Mindestlohn, es sei denn, dass sie
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ein Praktikum verpflichtend auf Grund einer schulrechtlichen Bestimmung, einer Ausbildungsordnung, einer hochschulrechtlichen Bestimmung oder im Rahmen einer Ausbildung an einer gesetzlich geregelten Berufsakademie leisten,
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ein Praktikum von bis zu drei Monaten zur Orientierung für eine Berufsausbildung oder für die Aufnahme eines Studiums leisten,
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ein Praktikum von bis zu drei Monaten begleitend zu einer Berufs- oder Hochschulausbildung leisten, wenn nicht zuvor ein solches Praktikumsverhältnis mit demselben Ausbildenden bestanden hat, oder
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an einer Einstiegsqualifizierung nach § 54a des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder an einer Berufsausbildungsvorbereitung nach §§ 68 bis 70 des Berufsbildungsgesetzes teilnehmen.
Wer ist Praktikant?
Praktikant ist, wer sich nach der tatsächlichen Ausgestaltung und Durchführung des Vertragsverhältnisses, für eine begrenzte Dauer, zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Erfahrungen, einer bestimmten betrieblichen Tätigkeit zur Vorbereitung auf eine berufliche Tätigkeit unterzieht, ohne dass es sich dabei um eine Berufsausbildung im Sinne des Berufsbildungsgesetzes oder um eine damit vergleichbare praktische Ausbildung handelt. Ob jemand Praktikant ist, ist unabhängig von der vertraglichen Bezeichnung des Rechtsverhältnisses.
Wegen der Einbeziehung der Praktikanten in den Begriff der Arbeitnehmer wird auch das Nachweisgesetz angepasst, sodass auch gegenüber Praktikanten, die nach dem Mindestlohngesetz als Arbeitnehmer gelten, unverzüglich nach Abschluss des Praktikumsvertrages, spätestens vor Aufnahme der Praktikantentätigkeit, die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen sind, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Praktikanten auszuhändigen ist.
Weitere Ausnahmen
Darüberhinaus gelten Ausnahmen vom Anspruch auf Mindestlohn nur
- für Kinder und Jugendliche zwischen 15 und 18 Jahren, ohne abgeschlossene Berufsausbildung
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für Langzeitarbeitlose (Arbeitslose, die ein Jahr und länger arbeitslos sind), innerhalb der ersten sechs Monaten der Beschäftigung
Wie ist der Mindestlohn zu berechnen?
Dem Gesetz nicht deutlich zu entnehmen ist die Antwort auf die Frage wie der Mindestlohn zu berechnen ist bzw. ob zusätzliche Leistungen des Arbeitgebers (Kost, Logis, Überstundenzuschläge, Weihnachtsgeld, …) berücksichtigt werden können. Der Gesetzesbegründung ist lediglich zu entnehmen, dass der Mindestlohn auch bei der Vereinbarung von Stück- und Akkordlohn gilt. Eine weitere Klarstellung im Gesetz ist auch nicht notwendig , da die Frage der Berechnung von Mindestlöhnen bereits durch die Rechtsprechung des EuGH und des BAG im Hinblick auf Mindestlöhne im Bereich der Arbeitnehmerentsendung entschieden ist.
Demnach sind vom Arbeitgeber gezahlte Zulagen Bestandteile des Mindestlohns, wenn sie nicht das Verhältnis zwischen der Leistung des Arbeitnehmers und der von ihm erhaltenen Gegenleistung verändern. Dies ist nach der Rechtsprechung dann der Fall, wenn Zulagen oder Zuschläge zusammen mit anderen Leistungen des Arbeitgebers ihrem Zweck nach diejenige Arbeitsleistung des Arbeitnehmers entgelten sollen, die mit dem Mindestlohn zu vergüten ist.
Nicht berücksichtigungsfähig sind daher Zulagen/Zuschläge, die voraussetzen, dass der Arbeitnehmer
- zu besonderen (Tages-) Zeiten arbeitet wie z. B. bei Zuschlägen für Sonn- und Feiertagsarbeit, Nachtzuschlägen, (Wechsel-) Schichtzulagen, regelmäßig auch Überstundenzuschläge,
- unter besonders unangenehmen, beschwerlichen, körperlich oder psychisch besonders belastenden oder gefährlichen Umständen arbeitet, wie z. B. bei Schmutzzulagen, Gefahrenzulagen,
- mehr Arbeit pro Zeiteinheit leistet (z. B. Akkordprämien) oder eine besondere Qualität der Arbeit (Qualitätsprämien) erbringt.
Bei diesen Zulagen handelt es sich um eine Gegenleistung des Arbeitgebers als Ausgleich für zusätzliche Leistungen auf Verlangen des Arbeitgebers.
Sonderzahlungen, wie z.B. Weihnachtsgeld oder zusätzliches Urlaubsgeld, können nur dann als Bestandteil des Mindeststundenlohns gewertet werden, die Zahlung tatsächlich und unwiderruflich erfolgt und keine weiteren Voraussetzungen, wie z.B. die weitere Betriebstreue, an die Zahlung geknüpft werden.
Übergangsregelungen
Die Regelungen zum Mindestlohn gelten ab dem 1. Januar 2015 für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Sinne des Gesetzes.
Bis zum 31. Dezember 2017 gehen abweichende Regelungen eines Tarifvertrages repräsentativer Tarifvertragsparteien dem Mindestlohn vor, wenn sie für alle unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallenden Arbeitgeber mit Sitz im In- oder Ausland sowie deren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verbindlich gemacht worden sind. Ab dem 1. Januar 2017 müssen abweichende Regelungen mindestens ein Entgelt von brutto 8,50 Euro je Zeitstunde vorsehen.
Bis zum 31. Dezember 2017 gehen also z.B. auf der Grundlage des AEntG festgesetzte Mindestlöhne sowie die auf der Grundlage des § 3a AÜG festgesetzten Mindestlöhne für die Arbeitnehmerüberlassung dem allgemeinen Mindestlohn auch dann vor, wenn sie unterhalb des Mindestlohns liegen. Gleiches gilt für Löhne aufgrund eines für Allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages.
Dadurch wird eine stufenweise Heranführung der Entlohnungsbedingungen bis zum 1. Januar 2017 ermöglicht und hinreichend Vorlaufzeit für ggf. erforderliche Anpassungsprozesse in den Branchen gelassen.
Eine Sonderregelung ist für die Zeitungszusteller und Zustellerinnen getroffen worden. Diese haben ab dem 1. Januar 2015 einen Anspruch auf 75 Prozent und ab dem 1. Januar 2016 auf 85 Prozent des Mindestlohns. Vom 1. Januar 2017 bis zum 31. Dezember 2017 beträgt der Mindestlohn für Zeitungszustellerinnen und Zeitungszusteller dann brutto 8,50 Euro je Zeitstunde.
Fälligkeit und mögliche Flexibilisierung der Fälligkeit des Mindestlohns über Arbeitszeitkonten?
Das Gesetz trifft eine Regelung, wann denn der Mindestlohn an den Arbeitnehmer auszuzahlen ist (fällig wird). Dies kann ein im Vertrag vereinbarter Zeitpunkt sein (z.B. „zum Monatsende“ oder „zum 15. Des Folgemonats). Der Mindestlohn ist jedoch spätestens am letzten Bankarbeitstag des Monats, der auf den Monat folgt, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde, an den Arbeitnehmer auszuzahlen.
Besonderheiten beim Arbeitszeitkonto
Wird ein Arbeitszeitkonto auf Grundlage einer schriftlichen Vereinbarung geführt, sind die über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinausgehenden eingestellten Arbeitsstunden spätestens innerhalb von zwölf Kalendermonaten nach ihrer monatlichen Erfassung durch bezahlte Freizeitgewährung oder Zahlung des Mindestlohns auszugleichen. Zu beachten ist, dass die auf das Arbeitszeitkonto eingestellten Arbeitsstunden monatlich jeweils 50 Prozent der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit nicht übersteigen dürfen. Im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitgeber nicht ausgeglichene Arbeitsstunden spätestens in dem auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses folgenden Kalendermonat auszugleichen.
Folgen des Verstoßes gegen die Mindestlohnvorschriften?
Für die möglichen Verstöße gegen die Mindestlohnvorschriften ist in § 21 ein Katalog von Ordnungswidrigkeiten zu finden, der bei Verstößen gegen Dokumentations- und Mitwirkungspflichten, insbesondere bei nicht oder nicht rechtzeitiger Zahlung des Mindestlohns, Geldbußen bis zu fünfhunderttausend Euro vorsieht.
Die Nichtzahlung des Mindestlohns erfüllt zudem den Straftatbestand des § 266a StGB, da der Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung vorenthält, die er hätte zahlen müssen.
Haftung des beauftragenden Unternehmers für Subunternehmer
Beim Mindestlohn gilt das gleiche Haftungsregime wie im Rahmen des AEntG. Das bedeutet, dass der Unternehmer, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Werk- oder Dienstleistungen beauftragt, für die Verpflichtungen dieses Unternehmers, eines Nachunternehmers oder eines von dem Unternehmer oder einem Nachunternehmer beauftragten Verleihers zur Zahlung des Mindestentgelts an Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen oder zur Zahlung von Beiträgen an eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien wie ein Bürge haftet, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat.
Das Mindestentgelt, für das der Unternehmer haftet, umfasst jedoch nur den Betrag, der nach Abzug der Steuern und der Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung oder entsprechender Aufwendungen zur sozialen Sicherung an Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen auszuzahlen ist (Nettoentgelt).
Weitere Pflichten des Arbeitgebers
Das Gesetz führt zudem Dokumentationspflichten für Arbeitgeber ein, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach § 8 Absatz 1 und 2 SGB IV (Geringfügige
Beschäftigung und geringfügige selbständige Tätigkeit) oder in den in § 2a Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes genannten Wirtschaftsbereichen beschäftigen. Genannt werden dort:
- Baugewerbe
- Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe
- Personenbeförderungsgewerbe
- Speditions-, Transport- und damit verbundenen Logistikgewerbe
- Schaustellergewerbe
- Unternehmen der Forstwirtschaft
- Gebäudereinigungsgewerbe
- Unternehmen, die sich am Auf- und Abbau von Messen und Ausstellungen beteiligen,
- Fleischwirtschaft
Arbeitgebern von geringfügig Beschäftigten (außer in Privathaushalten) sowie in den in § 2a des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes genannten Wirtschaftsbereichen kommt z.B. eine Aufzeichnungspflicht bzgl. Beginn, Ende und Dauer der Arbeitszeit zu. Diese Aufzeichnungen sind mindestens zwei Jahre aufbewahren.
Gleiches gilt für einen Arbeitgeber mit Sitz im Ausland, der Arbeitnehmer in den in § 2a des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes genannten Wirtschaftsbereichen beschäftigt. Dieser ist verpflichtet, vor Beginn jeder Werk- oder Dienstleistung eine schriftliche Anmeldung in deutscher Sprache bei der zuständigen Behörde der Zollverwaltung vorzulegen, die die für die Prüfung wesentlichen Angaben enthält. Verstöße gegen diese Pflichten oder andere Verstöße, § 21, können zum Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge führen.